Gleichzeitig ist praktischer Nutzen der Änderungen für die Polizeiarbeit marginal
Zu der öffentlichen Anhörung der Novelle des Polizeigesetzes am heutigen Tag im Landtag erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion Prof. Dr. Ulrich Goll:
„Die Anhörung hat unsere rechtlichen und tatsächlichen Bedenken bestätigt. Wir werden daher bei unserer nun bevorstehenden Klausurtagung Änderungsanträge beschließen, mit denen zumindest die größten Defizite des Gesetzentwurfs korrigiert werden. Der praktische Nutzen für die Polizei ist bei zentralen neuen Befugnissen marginal, gleichzeitig haftet diesen schon jetzt das Etikett der Verfassungswidrigkeit an.
Dies betrifft die Ausweitung der Bodycams auf Wohnungen. Wohnungen sind ein hochsensibler Bereich privater Lebensführung und durch Artikel 13 Grundgesetz in besonderer Weise geschützt. Prof. Dr. Nachbaur und Prof. Dr. Zöller haben die verfassungsrechtlichen Grenzen klar aufgezeigt. Und für uns steht fest, dass Bodycams in Wohnungen verfassungswidrig sind. Studien, die einen Mehrwert nachweisen, sucht man vergeblich. Bei häuslicher Gewalt, wenn oft Alkohol im Spiel ist, hat eine Bodycam auch keine deeskalierende Wirkung.
Polizeiliche Kontroll- und Durchsuchungsrechte sollen nahezu anlasslos bei jeder größeren Veranstaltung möglich sein. Das schafft, wie auch Dr. Eren Basar ausführte, ein Gefühl des Überwachtwerdens und dadurch eine hohe Einschüchterungswirkung. Gleichzeitig konnten auch auf mehrere Nachfragen hin Sachverständige aus der Praxis keine Beispiele dafür zeigen, in welchen wirklich gefährlichen Situationen bereits nach der heutigen Rechtslage eine polizeiliche Kontrolle unzulässig wäre.
Bei der größten Novelle des Polizeigesetzes seit rund 30 Jahren hätte eigentlich jede Norm gründlich überprüft und an die Bedürfnisse polizeilicher Arbeit angepasst werden müssen. Stattdessen erleben wir ein Gesetz der verpassten Chancen und ein Gebilde, das der Polizei bei ihrer Arbeit nicht weiterhilft. Vor allen Dingen braucht die Polizei eine bessere Sachmittel- und Personalausstattung. Nach vier Jahren Amtszeit von Herrn Strobl teilen sich rund 25.000 Polizisten aber gerade einmal 1.000 Smartphones. Auf der Straße haben wir heute 200 Polizisten weniger, als 2016. Anstatt Aktionismus im Vorfeld der Landtagswahlen zu betreiben, sollte der Innenminister endlich diese Probleme lösen.
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion und deren rechtspolitischer Sprecher Nico Weinmann ergänzt:
„Änderungen des Polizeigesetzes waren aufgrund zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichts erforderlich. Außerdem musste bereits zum Mai 2018 die europäische Richtlinie zum Datenschutz in Strafverfahren umgesetzt werden. Insoweit wäre es naheliegend, dass die Änderungen des Polizeigesetzes die Bürger- und Freiheitsrechte stärken. Stattdessen erleben wir, wie Innenminister Strobl dies als Vorwand verwendete, das Polizeirecht an etlichen Stellen zu verschärfen. Jeder Eingriff in die Grundrechte muss aber verhältnismäßig sein und von der Verfassung gerechtfertigt sein. Nicht alles, was technisch umsetzbar ist, ist auch verfassungskonform. Und wenn eine Norm verfassungswidrig ist, dann ist sie auch nicht sinnvoll. Das Polizeirecht ist kein Wunschkonzert und keine Bühne, um sich im Wahlkampf als angeblicher „Law-and-Ordner“ Minister zu profilieren.
Ein großer Teil der angehörten Juristen rügte zentrale Punkte der Gesetzesnovelle als verfassungswidrig. Innenminister Strobl spricht von sich gerne als dem ‚Verfassungsminister‘. Diese Selbstbeschreibung wäre hinfällig, wenn nun die geplanten Änderungen kommen. Für die Grünen käme eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf der Aufgabe eigener Prinzipien als Bürgerrechtspartei gleich. Wenn die heute durchgeführte öffentliche Anhörung ‚keine Alibiveranstaltung‘ bleiben soll, wie der innenpolitische Sprecher der Grünen Hans-Ulrich Sckerl angekündigt hat, dann müssen die Grünen nun koalitionsintern die Reißlinie ziehen und zentrale Punkte der Novelle verhindern. Kleinere kosmetische Änderungen am Gesetz wären völlig unzureichend.“