Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit und nach dem Bekanntwerden des Covid19- Virus am 27.01.2020 hat sich die Welt in einer Form verändert, wie wir es uns nicht hätten vorstellen wollen. Schlecht vorbereitet, traf und noch immer trifft uns die Krise hart, auch wenn mit einem Impfstoff – unabhängig der einhergehenden handwerklichen und kommunikativen Pannen – Licht am Ende des Tunnels ersichtlich wird. Und bei all den Schwierigkeiten sollten wir diejenigen nicht vergessen, die infolge der Pandemie ums Leben gekommen sind.
Wenigen wirtschaftlichen Profiteuren stehen viele Verlieren dieser Pandemie gegenüber. Unser Anspruch muss, neben der unmittelbaren Bekämpfung der Pandemie, eben der Herausforderung gelten, die Folgen dieser Krise abzumildern und dort wo möglich und sinnvoll auszugleichen.
Der Doppelhaushalt der Stadt Heilbronn wurde unter dem Eindruck einer noch grassierenden Epidemie und unter den einschneidenden Empfindungen der greifbaren und prognostizierten mittelbaren und unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie erstellt. Wir Freie Demokraten haben lange mit uns gerungen, wie wir auf diese einmalige Situation reagieren sollen. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt war für uns klar, dass wir uns angesichts der immensen finanziellen und strukturellen Herausforderungen mit finanzwirksamen Anträgen zurückhalten werden und individuelle Gestaltungsansprüche vor dem Hintergrund der gesamtstädtischen Aufgaben hintenanstellen werden. Die Nachricht aus der Stadtverwaltung, Steuer- und Corona-bedingte Gebührenerhöhungen nicht in Betracht zu ziehen – ein solches Ansinnen wäre in einer Zeit, in der die Unternehmen jeden Euro dringend benötigen um in ihre Zukunft zu investieren und Arbeitsplätze zu sichern, wäre geradezu kontraproduktiv und für uns inakzeptabel – hat uns zudem bestärkt, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD eine Maßnahme zu ergreifen, die einmalig im doppelten Sinne ist und sein wird: Der Gemeinderat der Stadt Heilbronn stellt sich mit breiter Mehrheit hinter den Verwaltungsvorschlag und trägt den Doppelhaushalt für die Jahre 2021 und 2022 mit nur einem Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag mit. Auf diesen werde ich sogleich näher eingehen.
Die Wahrnehmung des Königsrechts durch den Gemeinderat, die individuellen Wünsche der einzelnen Fraktionen und Gruppierungen, die nicht selten zufälligen Mehrheiten hierüber, führten, ohne dass wir das Verfahren auch nur im Ansatz kritisieren möchten, nicht selten zu einer Verschlechterung im Ergebnishaushalt und zu einer Erhöhung der Investitionen. Letzte waren dann nicht selten auch Teil der Diskussion um die neuerliche Übertragung von Haushaltsresten, da viele Bauvorhaben zwar schneller gewünscht, deswegen aber nicht zwangsläufig schneller umgesetzt werden können. Diese Wünsche im Sinne der Stadtgestaltung zu äußern und „aufs Gleis zu setzen“ ist legitim und viele tolle und sinnvolle Vorschläge haben in Summe nicht nur zu mehr Akzeptanz sondern auch zu dem Lebensgefühl in unserer Stadt beigetragen, auf das wir zurecht Stolz sind.
Und dennoch haben wir uns durchgerungen, auch im Sinne eines klaren Bekenntnisses zu der finanziellen Notlage, auf eigene Anträge zu verzichten, aber auch konsequent Anträge Dritter – unabhängig der Frage, ob möglicherweise sinnvoll oder nicht – abzulehnen bzw. die fiskalische Behandlung auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich dann, wenn die Krise überstanden und wir die schlimmsten Folgen behoben haben, verschieben.
Lediglich die für unsere Gesellschaft, für das Zusammenleben bedeutsamen und bereits heute schon spürbaren und absehbaren Folgen, wollen wir mit einen „Neustartfond“ aufgreifen, wollen damit ein klares und deutliches Signal an die vornehmlich durch das Ehrenamt getragenen Sport-, Kultur-, Brauchtumsvereine senden, wollen zeigen, dass wir auf kommunaler Ebene unseren Beitrag leisten wollen, dass es nach Corona weitergeht. Wichtig ist uns dabei, dass die Hilfe, die in erster Linie für die Vereine als Starthilfe gedacht ist, unbürokratisch fließt und Landes- und Bundesmittel flankiert bzw. dort eingreifen, wo übergeordnete Hilfe nicht passgenau angeboten wird.
Einiges ist in der Krise gut gelaufen, in einigen Bereichen wird erst die Zukunft zeigen, ob Maßnahmen geholfen oder die Wirkung gar ins Gegenteil verkehrt haben, und in einigen Bereichen ist bereits heute festzuhalten, dass handwerklich, und insbesondere kommunikativ einiges schlecht gelaufen ist. Manches davon mag mangels Blaupause entschuldbar sein, in anderen Bereichen spielt schlicht Unvermögen eine Rolle. Es wird eine große Aufgabe der Zukunft sein zu evaluieren, welche Fehler im Laufe der Pandemie auf allen Ebenen gemacht wurden, welche Ansätze für die Zukunft gut oder weniger erfolgreich waren, welche Lehren wir daraus ziehen. Dies muss auch nach Überzeugung der Freien Demokraten auf kommunaler Ebene, auch hier in Heilbronn, eine wichtige Aufgabe sein.
So hat uns beispielsweise die Krise gelehrt, dass im Bildungsbereich neben der zentralen Bedeutung des Lehrers, einer neuen Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern oder einer größeren Wahlfreiheit im Bildungsangebot die Umsetzung der digitalen Schule ein besonderes Augenmerk verdient. Vieles wurde – auch aus der Not – angestoßen, vieles davon unstreitig positiv, aber Fragen der langfristigen Finanzierung der digitalen Infrastruktur, der Ausstattung von Schulen, Lehrkräften, Schülerinnen und Schüler mit Hard- und Software sowie die Wartung der Systeme durch digitale Hausmeister sind verlässlich zu klären. Wir nehmen dabei wohlwollend zur Kenntnis, dass das, was auf kommunaler Ebene und unter Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten möglich ist, im Haushalt vorgesehen ist. Auch das macht uns die Zustimmung zum Haushalt in unveränderter Form leichter.
Die Krise hat uns gezeigt, dass wir, vielleicht mutigen als in der Vergangenheit, auch neue Wege beschreiten müssen. ‚Best practice‘, also den Blick über den Tellerrand, wo andernorts Probleme gut gelöst werden, einerseits, eine pragmatische Fehlerkultur andererseits, und ein ehrlicher und transparenter Umgang mit beidem, ist hierfür Voraussetzung.
Dies gilt auch für die innere Sicherheit – subjektiv wie objektiv. Der Verweis der Politik auf die Polizeiliche Kriminalstatistik, die uns gerade in Heilbronn höchste Sicherheit ausweist, ist leider nur eine Seite der Medaille, denn die Polizeiliche Kriminalstatistik stellt eine Tatverdachtsstatistik des Hellfelds dar. Eine vage Dunkelfeldforschung hilft nicht, das subjektive, also die gefühlte Sicherheit, oder besser das Unsicherheitsgefühl, zu beseitigen. Hier bedarf es auch in Zukunft größter Anstrengungen, vor allem eine personell und materiell besser ausgestattete Polizei, wenn wir unsere Innenstadt auch in Zukunft attraktiv und vital halten wollen. Es kann gleichzeitig aber nicht die Aufgabe der Kommune sein, Landesaufgaben beispielsweise durch eine weitere „Aufrüstung“ des Kommunalen Ordnungsdienstes schrittweise zu übernehmen. Uns scheint die Zeit reif, den Kommunalen Ordnungsdienst umfassend einer Evaluation zu unterziehen, um mit den bestehenden Ressourcen effektiver und effizienter den Herausforderungen abseits des ruhenden Verkehrs gerecht zu werden. Soll heißen: wir müssen neue Wege gehen beim Thema Sauberkeit, wie wir bspw. einer zunehmenden Rücksichtslosigkeit, beim Wegwerfen, Entsorgen von Müll, Hinterlassen von Hundekot oder banalem Spucken besser in den Griff bekommen.
Wie diese Wege auch präventiv aussehen können, lässt sich an einem Beispiel erläutern: Was meinen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wohl die beste Methode, um Menschen dazu zu bringen, ihren Müll nicht einfach fallen zu lassen, sondern in einen Abfalleimer zu werfen? Ist es A: Geldstrafe für Fehlverhalten? B: finanzielle Belohnung für richtiges Verhalten? Oder C: grüne Fußaufkleber auf dem Boden, die den Weg zum nächsten Abfalleimer weisen?
Alle drei Varianten wurden durch dänische Wissenschaftler getestet und das Ergebnis fiel eindeutig aus: Lösung C! Grüne Fußabdrücke auf dem Boden verringerten die Abfallmenge auf der Straße um 46%.
Alte Pfade verlassen ohne das berühmte Kind mit dem Bade auszuschütten, müssen wir auch in Bezug auf unsere Innenstadt. Die Innenstadt attraktiv und lebendig halten, ist nicht erst seit Corona eine Herausforderung. Wir wollen auch in Zukunft auf einen vitalen Einzelhandel, ein buntes gastronomische Angebot nicht verzichten.
Neue Wege werden wir auch in der Kultur gehen müssen. Die Anwendung der noch jungen Kulturförderrichtlinie braucht viel Fingerspitzengefühl. Denn gerade für die Kulturschaffenden war und ist die Corona-Pandemie eine Katastrophe und der Schaden wird nachhaltig sein. Viele neue Formen der Kulturdarbietung wurden versucht und während es vorstellbar ist, dass auch in Zukunft der Museumsbesuch partiell digital erfolgen wird, glaube ich nicht daran, dass beispielsweise Konzerte virtuell ersetzt werden können. „Es wurde viel gestreamt, digitalisiert, visualisiert und virtualisiert, aber der bebende Bass zwischen den Körper fehlt“, wie eine Künstlerin es auszudrücken versuchte.
Gerade für die Kunst, die Kultur wollen wir einen Beitrag zu einem Neustart bieten. Nach unserer Überzeugung wird Kunst und Kultur auch einen elementaren Beitrag leisten, wenn es beispielsweise um die Belebung und Attraktivierung unsere Innenstadt geht. Hier kann der Hilfsfonds, den wir heute einbringen und zur Diskussion stellen, eine Initialzündung leisten, den öffentlichen Raum ansprechend zu bespielen.
Und natürlich wollen wir mit diesem Fond einen Beitrag leisten, den Sport im Allgemeinen, den Amateursport im Besonderen wieder zu alter, neuer Blüte zu führen. Ein ehrenamtlicher Fußballtrainer hat mir jetzt am Wochenende eine Nachricht geschickt, in der er vom ersten Fußballtraining nach fünf Monaten erzählte, von den leuchtenden Augen der Jungs berichtet und endete: Man merkt auch selbst als Trainer was einem gefehlt hat, am Ende geht es nicht um Sieg und Erfolg, sondern um Gemeinschaft. Toll, finde ich. Wir können Stolz sein auf die vielen Menschen, die sich so engagieren. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass das Ehrenamt, das das wichtige Vereinswesen auch nach Corona weitergeht.
Es geht auch um die Kultur des Miteinanders. Um gelebte Demokratie und das, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Den Gedanken des Miteinanders, die Verteidigung und Stärkung demokratischer Gesinnung und Menschenrechte wollen wir durch die Einrichtung eines Ludwig-Pfau-Preises für Demokratie stärken. Mit dem Preis wollen wir auch das Ziel verfolgen, das Andenken an den Ehrenbürger und Vorkämpfer für die Demokratie lebendig zu halten.
Neue Wege gehen, ohne die alten Ideale in Frage zu stellen möchten wir auch mit dem Europa-Tag auf dem Heilbronner Kiliansplatz. Der Europa-Tag mit seinem vielfältigen Programm auf der Bühne und den kulinarischen Genüssen vor der Bühne gehört zu einer wichtigen Säule eines bunten und gelebten städtischen Miteinanders. Wir möchten, dass der Europa-Tag in Zusammenarbeit mit der Europa Union weiterentwickelt und zu einem Fest des Miteinanders wird.
Für die Weiterentwicklung unserer Stadt müssen wir auch einen konzentrierten Blick auf die Infrastruktur setzen. Digital wie analog. Mit dem Mobilitätskonzept haben wir noch im vergangenen Jahr wichtige Akzente setzen können, die es gilt, auch in Zusammenspiel mit dem Land, sowohl in Bezug beispielsweise auf die wichtige Verlängerung der Saarlandstraße – die Menschen in Neckargartach, Frankenbach, Klingenberg oder Böckingen warten sehnlichst auf die verkehrliche Entlastung – oder die Attraktivierung des ÖPNV – wir wollen einen guten, verlässlichen ÖPNV, denn nur so gelingt es, diesen als dauerhafte Alternative zum Individualverkehr zu etablieren – oder auf Bundesebene, z.B. den Ausbau der Neckarschleusen und den schienengebundenen Fernverkehr. Mobilität ist ein wesentliches Grundbedürfnis unserer Gesellschaft, ist Kernelement unserer Freiheit und trägt in einer global vernetzten Welt maßgeblich dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand zu sichern; gerade in Heilbronn. Aber auch vor Ort müssen wir den Verkehrsfluss verbessern, müssen diesen besser vernetzen, zuverlässiger gestalten, müssen prüfen, ob Entscheidungen, die unter dem Einfluss drohender Fahrverbote ohne wissenschaftliche Grundlage getroffen wurden, nicht überholt sind und korrigiert werden müssen, Stichwort Tempo 40.
Hier haben wir mit einem Bündel an Prüfungsanträgen reagiert, wollen sprichwörtlich Salz in die Suppe geben um an der einen oder anderen Stelle, gerade vor dem Hintergrund des eingangs geäußerten Bekenntnis zur wirtschaftlichen Gesundung unserer Stadt beizutragen, dennoch pragmatisch Verbesserungsvorschläge zur Diskussion stellen.
Die Herausforderungen sind groß, mit gesundem Optimismus, die langfristige Entwicklung im Blick, Visionen und Gestaltungswünsche im Gepäck, fahren wir jetzt erstmal auf Sicht.
In diesem Sinne freuen wir uns auf die Beratungen. Für unsere Bürgerinnen und Bürger, für unsere Stadt, und nicht nur mit Blick auf unsere Städtepartnerschaften, für ein gutes und konstruktives Miteinander.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort!