Justiz braucht auch abseits von beschleunigten Verfahren dringend mehr Personal
Bei der Beratung eines Antrags zu beschleunigten Verfahren in Baden-Württemberg sagte der rechtspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Nico Weinmann:
„Es hat sich bewährt, wenn die Strafe auf dem Fuße folgt. Gerade dann zeigt sich der Rechtsstaat wehrhaft. Durch das beschleunigte Verfahren können in der Regel geringe Vergehen junger Erwachsener unter bestimmten Bedingungen teilweise noch am Tag der
Festnahme abgeurteilt werden. Das ist wichtig, um künftigen Straftaten vorzubeugen und es stärkt das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat. Im Unterschied zu anderen, verkürzten Verfahrensarten, wie einem Strafbefehl, kommt es beim beschleunigten
Verfahren auch zu einer Gerichtsverhandlung, wodurch zusätzlich auf den Beschuldigten eingewirkt werden kann. Das beschleunigte Verfahren hat daher unbestritten Vorteile, die andere Verfahrensarten nicht vorweisen können. Das beschleunigte Verfahren ist dabei an
sich nicht revolutionär, ist im Gesetz vorgesehen, findet aber bei uns nur selten Anwendung.
Denn zur Wahrheit gehört auch, dass diese Verfahren sehr personalintensiv sind, insbesondere durch eine koordinierte Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Jugendgerichtshilfe. So darf die Ausweitung von beschleunigten Verfahren am Ende nicht dazu führen, dass Personal an anderer Stelle fehlt und andere Verfahren auf der Strecke bleiben. Zumal die Herausforderungen für die Justiz immer größer werden, man denke nur an den massiven Anstieg der Verfahren zur Hass- und Cyberkriminalität. Nicht zuletzt droht hier durch Personalmangel die Justiz zum Flaschenhals bei der Bekämpfung dieser Straftaten zu werden.
Da die Modellprojekte erst im Laufe des Jahres 2020 angelaufen sind und typische Delikte wie Ladendiebstahl pandemiebedingt auch 2021 seltener als normalerweise auftreten, ist indes frühestens 2022 mit belastbaren Zahlen zu rechnen. Sinnigerweise sollte erst dann
darüber entschieden werden, ob und wie beschleunigte Verfahren an weiteren Gerichten organisatorisch fest verankert werden sollten. Jenseits der drei Modellprojekte werden beschleunigte Verfahren in Baden-Württemberg aber nahezu überhaupt nicht angewandt.
Deutlich weniger als ein Prozent der Gesamterledigungen wird in diesen Verfahren erreicht, in Brandenburg dagegen sind es etwa zehn Prozent. Das Land sollte daher die Justiz und die Polizei landesweit stärker zur Durchführung des Beschleunigten Verfahrens ermutigen und die personellen und technischen Voraussetzungen fördern.“